Hochsensibilität

Was ist Hochsensibilität?

Hast du dich schon öfters gefragt, ob du hochsensibel bist oder nicht? Hochsensibilität kann sich auf viele Arten zeigen und ist sehr individuell. Vielleicht hast du schon erlebt, dass deine Wahrnehmungen nicht ernst genommen wurden oder du das Gefühl hattest, irgendwie fehl am Platz zu sein. In diesem Artikel schauen wir uns an, was Hochsensibilität genau bedeutet, wie sie sich äußern kann und warum sie keineswegs eine Schwäche, sondern eine besondere Stärke ist.

Seit einigen Jahren wird immer häufiger über Hochsensibilität gesprochen, Dokus wurden bzw. werden ausgestrahlt und inzwischen beschäftigen sich auch immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem Thema. So hundertprozentig eindeutig und final beurteilt sind die wissenschaftlichen Theorien und Erkenntnisse bezüglich Hochsensibilität noch nicht und es wird stetig weiter geforscht.

Geprägt wurde der Begriff „Highly Sensitive Person“, häufig als „HSP“ abgekürzt, in den 1990er-Jahren durch die US-amerikanische Psychologin Elaine Aron, die wohl bis heute als unangefochtene Expertin und Pionierin auf dem Gebiet der Hochsensibilität gilt. Elaine Aron sieht diese als ein Temperamentsmerkmal, kennzeichnend dafür sei eine höhere sensorische Verarbeitungssensitivität.
Hochsensibilität umfasst laut Aron vier wesentliche Aspekte:
– die Tiefe der Wahrnehmungsverarbeitung,
– schnelle Überreizung,
– emotionale Empfänglichkeit
– und ein klares Gespür für feinste Reize.
Der entsprechende wissenschaftliche Begriff „Sensory Processing Sensitivity“ wird auch heute noch als Persönlichkeitsmerkmal definiert: Obwohl Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kontrovers über Hochsensibilität diskutieren, ist man sich allgemein einig, dass es sich nicht um eine psychische Störung oder Erkrankung, sondern eben um eine Eigenschaft handelt. Diese soll übrigens wahrscheinlich zu etwa 50 Prozent genetisch bedingt sein, wobei die restlichen 50 Prozent auf Umwelteinflüsse zurückzuführen sein sollen.

Wer gilt als hochsensibel?

Forscherinnen und Forscher definieren empfindsame Menschen als diejenigen, die intensiver auf ihr Erlebtes reagieren – zum Beispiel, wie man von der physischen Umgebung beeinflusst wird, genauso wie von der Erziehung, sozialen Beziehungen und Arbeitsbedingungen.

Die Forschung sagt zudem, dass in gewisser Weise jeder Mensch sensibel ist und dass sich Menschen lediglich in verschiedenen Abstufungen in ihrer Sensibilität unterscheiden. Untersuchungen zeigen, dass hochsensible Menschen stärker von Widrigkeiten betroffen sind, aber auch besonders stark von positiven Erfahrungen profitieren. Einfach ausgedrückt, sind sensiblere Menschen diejenigen, die stärker von dem beeinflusst werden, was sie erleben.

Merkmale von hochsensiblen Menschen

Hochsensibilität ist nicht gleich Hochsensibilität. Hochsensibilität ist vielseitig. Man kann also nicht sagen, dass hochsensible Menschen immer auf die gleiche Art und Weise „ticken“. Folgende Merkmale treffen häufig oder meistens zu:

1. höhere Aufmerksamkeit für (teils auch subtile) Details in der Umgebung

2. intensive emotionale Reaktionen, das heißt, positive oder negative Emotionen stärker wahrnehmen und/oder äußern

3. hohe Empathie – sowohl emotional (mitfühlen mit anderen) als auch kognitiv (Absichten anderer schnell erkennen)

4. tiefere Verarbeitung aller Eindrücke (längeres Nachdenken über Dinge oder Ereignisse) und Sinneseindrücke (es kann dabei sein, dass ein Sinn besonders ausgeprägt ist)

Hochsensibilität testen

Wie oben bereits erwähnt, handelt es sich bei Hochsensibilität um keine psychische Krankheit oder Störung, sondern um ein Persönlichkeitsmerkmal. Deshalb ist eine offizielle Diagnose durch Fachpersonen nicht möglich und auch nicht nötig. Zur Überprüfung, ob mögliche Eigenschaften, Verhaltensweisen oder Symptome auf dich zutreffen, gibt es inzwischen unterschiedlichste Fragenkataloge und Tests, die in Büchern oder im Netz verfügbar sind. Diese sind zur Selbsteinschätzung und Selbstreflexion gedacht und nur du selbst kannst entscheiden, ob ein Test dir helfen kann, deine Sensibilität zu erkennen und anzunehmen oder nicht. Ich persönlich habe verschiedene Tests gemacht, in denen sich die Fragen meist anders formuliert ähnelten. Trotzdem hat es geholfen, mich bezüglich meiner Sensibilität zu reflektieren. Dass die Ergebnisse stets sehr eindeutig waren, hat mich dazu motiviert, mich weiter mit dem Thema zu beschäftigen, bis ich schließlich sogar meine Coachingausbildung mit Schwerpunkt Hochsensibilität absolviert habe.

Siehe unten für einige Tipps zu Tests und Büchern über Hochsensibilität.

Hochsensibel, und was nun?

Du tust dich vielleicht schwer damit, dich selbst in die Schublade „Hochsensibilität“ zu stecken oder hast keine Lust, dir einen Stempel aufzudrücken? Darum geht es auch überhaupt nicht! Ich möchte kurz erklären, was ich damit meine.

Viele Hochsensible kennen es leider sehr gut, sich anders zu fühlen. Oder noch schlimmer, sie fühlen sich falsch. Sie neigen daher zur Anpassung, dazu, es allen recht machen zu wollen, oder stellen nicht die eigenen Bedürfnisse an erste Stelle, sondern die der anderen. Sie zweifeln an sich selbst. 

Diese Selbstzweifel haben ihren Ursprung meist in der Kindheit und kommen unter anderem daher, dass hochsensiblen Kindern die eigenen Wahrnehmungen abgesprochen oder nicht ernst genommen wurden: „Du bist zu empfindlich!“, „Jetzt stell dich doch nicht so an!“, „Das ist nicht so schlimm!“, „Sei nicht so unruhig!“ und so weiter. Vielleicht kennst du diese oder ähnliche Sätze auch? 
Durch diese Erfahrungen entstehen übrigens Glaubenssätze, verbunden mit Gedanken und Gefühlen, die abgespeichert werden und bis ins Erwachsenenalter begleiten bzw. ärgern können. Hier kommst du zu meinem Blogbeitrag „Warum du aufhören solltest, dich falsch zu fühlen: Glaubenssätze auflösen“.

Es kann eine große Erleichterung sein, zu erfahren, dass all diese Sätze nicht stimmen! Weil es Gründe für deine sensiblen Reaktionen und dein Verhalten gab. Weil du das Recht darauf hattest, dich zu bewegen, wenn dir danach war, die kratzige Strumpfhose nicht anziehen zu wollen, irgendwelchen Onkeln und Tanten nicht die Hand reichen zu wollen oder der Oma keinen Schmatzer zu geben, dich nach einer Familienfeier zurückzuziehen (und wenn es zwei Tage sind), nicht auf das hohe Klettergerüst zu klettern und so weiter. Und es wäre schön gewesen, eine empathische Reaktion zu empfangen. Denn du hast nichts falsch gemacht!

Vielen Hochsensiblen fällt buchstäblich ein Stein vom Herzen, eine Erklärung für ihr „Andersfühlen“ zu erhalten: Die Gewissheit zu erlangen, dass man eben nicht falsch ist, sondern genau richtig so, wie man ist. Zu wissen, „ich bin weder besser noch schlechter als andere. Ich bin eben ich und gut so, wie ich bin.“

Ist Sensibilität wirklich eine Stärke?

JA! Sie ist sogar noch viel mehr, nämlich eine Begabung, die so viele bunte Facetten, Talente, Interessen mit sich bringt! Diese Einzigartigkeit zu entdecken und sich zu erlauben, daran zu glauben, funktioniert nicht durch einen Fingerschnips – es ist ein Weg. Ein Weg, der ein paar Schritte erfordert zu gehen.
 
Wie das aussehen kann? Zunächst erkennen, dann annehmen und sie schließlich als Stärke leben: Um sich selbst mit allen Facetten der Sensibilität annehmen zu können, ist es essenziell, sich wohlwollend mit der eigenen Sensibilität zu beschäftigen. Das heißt, zum Beispiel verschiedene Blogbeiträge und Bücher über Hochsensibilität zu lesen, an Workshops oder Vorträgen teilzunehmen, in den Austausch mit anderen sensiblen Menschen zu gehen. Gleichzeitig ist es wichtig, sich selbst zu reflektieren sowie die Bewusstheit für die eignen Bedürfnisse wieder zu stärken und auf die Intuition zu hören beziehungsweise lernen, sie wieder wahrzunehmen. Denn: Hochsensible sind meist mit ihrer Intuition verbunden und handeln auch danach – sie wissen es nur nicht!!!
Eine Idee: Lass doch diesen Satz mal sacken und denk kurz darüber nach, wie das bei dir ist.
 
Vielleicht fragst du dich jetzt: „Wenn Hochsensibilität eine Stärke ist, warum sehe ich nur die Nachteile?“ Die Hektik des Familienalltags überlagert die positiven Seiten der Hochsensibilität nämlich sehr oft, sodass wir aus dem Stressmodus heraus reagieren, weil unser Nervensystem überlastet ist, und somit das Wahrnehmen der eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund gerät. Wird dies länger ignoriert oder nicht geändert, kann sich die Negativspirale bis hin zu einer immer wiederkehrenden Erschöpfung drehen, aufgrund eines Nervensystems, das sich quasi permanent oder immer wieder im Alarmzustand befindet. Auch eine Cortisol Dysbalance (Nebennierenschwäche) könnte die Folge sein.
 
Daher ist es extrem wichtig, sich nicht nur theoretisch mit dem Thema Hochsensibilität auseinanderzusetzen, sondern auch konkret dafür zu sorgen, das Nervensystem in Balance zu bringen oder zu halten. Beispielsweise durch genügend Auszeiten im Alltag – zum Entspannen, Auftanken, Spüren des Körpers und Fühlen der Gefühle sowie zur Innenschau.

Coaching für Hochsensible

Für sensible Mamas kann der Spagat zwischen Familienleben, Beruf und allen Aufgaben des Alltags eine besondere Herausforderung sein. Bei allem Trubel und trotz guten Willens fällt es vielen schwer, sich abzugrenzen und ausreichend Zeit für sich selbst einzuplanen. Reizüberflutung, das Bedürfnis, allem gerecht zu werden, und die damit verbundene innere Anspannung können schnell zu Erschöpfung führen. Das ist immer wieder ein Thema in der Begleitung von hochsensiblen Müttern. Ist ein Kind in der Familie ebenfalls hochsensibel, kann das noch einmal mehr dazu führen, dass die volle Aufmerksamkeit beim Kind liegt, um dieses liebevoll zu begleiten. Die Eltern stellen ihre Bedürfnisse hinten an oder nehmen sie teilweise gar nicht mehr wirklich wahr.

Fragst du dich auch oft: „Wo ist meine Energie geblieben? Warum bin ich dauernd müde und erschöpft? Was ist mit mir? Was ist mit meinen Bedürfnissen, Wünschen und Träumen?
Fakt ist, ein Leben in Freude, Balance und Energie kannst du nur realisieren, wenn du dich dazu entscheidest, dich selbst in den Fokus zu setzen und anfängst, dies umzusetzen. Denn das ist nicht egoistisch, das ist eine Notwendigkeit und dein Recht: „YOU FIRST!“

Ein Coaching bietet dir die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen deine Herausforderungen genauer zu beleuchten, deine Sensibilität näher anzuschauen, deine Stärken und Talente zu entfalten, dich sichtbar zu machen, Strategien und Rituale zu entwickeln, um dir regelmäßig Raum zu schaffen und deine Energie gut zu managen. Und zu erkennen, was dich – bis gestern – daran gehindert hat, dir zu erlauben, für dich selbst zu sorgen. So kannst du direkt in die Umsetzung kommen, die ersten Schritte auf deinem Weg gehen – für mehr Leichtigkeit in deinem Leben. Für mehr Freude, Balance und Energie in deinem Alltag.

Zwei Beispiele für Tests, die aus meiner Sicht eine seriöse Basis zur Selbstreflexion sind:

  • Hier gelangst du zum Test des Netzwerkes Hochsensibilität, bei dem ich als Coachin auch Mitglied bin. Der Test basiert auf dem Fragenkatalog von Elaine Aron.
  • Der Fragebogen von sensitivityresearch.com wurde von Forscherinnen und Forschern entwickelt. Die Website wird von ebendiesen betrieben, um zuverlässiges Wissen über das Persönlichkeitsmerkmal Sensibilität zu bieten.

Drei Buchtipps zum Thema Hochsensibilität:

  • „Außergewöhnlich normal – Hochbegabt, hochsensitiv, hochsensibel: Wie Sie Ihr Potenzial erkennen und entfalten“ von Anne Heintze
  • „Wenn Frauen zu viel spüren – Schutz und Stärkung für Hochsensible“ von Sylvia Harke
  • „Die Berufung für Hochsensible – Die Gratwanderung zwischen Genialität und Zusammenbruch“ von Luca Rohleder

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