Ständig erschöpft, aber innerlich unruhig? Erfahre, warum dein Nervensystem im Alarmmodus bleibt – und was dir jetzt wirklich helfen kann.
Endlich ist es still. Ich stehe im Wohnzimmer, starre durch die großen Glastüren nach draußen. Die Bäume wiegen sich im Wind – ich beobachte sie gern. Für Meditation bin ich gerade zu aufgewühlt. Gleichzeitig fühlt sich mein ganzer Körper schwer an. Mein Kopf dröhnt. Die Gedanken kreisen nur so umher. „Was steht morgen nochmal an? Woran sollte ich noch denken?“ Eine große wattige Wolke breitet sich in meinem Kopf aus. Alles ist zu viel.
Es war wieder wuselig. Unser Kind wird abends nochmal richtig gesprächig. So viele Eindrücke am Tag. Da muss nach dem Vorlesen noch einiges besprochen werden. Fragen über Fragen. Und das ist auch wichtig. Gleichzeitig spüre ich, wie Unruhe in mir noch wächst. Weil so viel zu erledigen ist. Weil ich noch meine Übungen machen möchte. Weil ich einfach mal Ruhe brauche. Warum kann ich nicht abschalten?
So oder so ähnlich sahen meine Abende früher regelmäßig aus. Bis ich mich intensiv mit meiner Sensibilität und dann mit meinem Nervensystem beschäftigte. Ich verstand, dass ich nicht falsch bin. Aber mein Körper war dauerhaft im Alarmzustand.
Woran du merkst, dass dein autonomes Nervensystem sich im Dauerstress befindet
Vielleicht bist du ständig müde – und gleichzeitig innerlich unruhig. Du fühlst dich erschöpft, aber irgendwie auch „wach“. Es gibt zwar keinen konkreten Anlass, keinen außergewöhnlichen Grund für eine von außen erkennbare Überlastung – und trotzdem spürst du, dass irgendetwas nicht stimmt. Du kommst einfach nicht runter.
Wenn dir das bekannt vorkommt, dann könnte es sein, dass du in der Dauer-Stress-Schleife lebst. Das autonome Nervensystem* gerät demnach aus dem Gleichgewicht, auch ohne dass es dafür einen ersichtlichen Grund gäbe.
Hier habe ich einige prägnante Beispiele für dich zusammengestellt, die dir beim Erkennen helfen:
- Du sitzt abends auf dem Sofa und in deinem Kopf dreht sich das Gedanken-und To-do-Karussell. Du fühlst dich innerlich unruhig und/oder getrieben, auch wenn die Kinder schlafen. Es kann auch sein, dass du gar nicht lange ruhig sitzen kannst, sondern immer wieder aufstehst, um etwas zu tun.
- Du fühlst dich ständig wie auf Abruf. Vielleicht hast du einen leichten Schlaf und wachst beim kleinsten Geräusch auf.
- Du spürst dauernd Verspannungen, z. B. im Schulter-Nacken-Bereich, auch schon morgens beim Zähneputzen.
- Alles ist dir zu viel, du fühlst dich schnell überreizt durch beispielsweise Stimmen, Lautstärke, Unordnung, Licht. Auch wuselige Situationen sind dir zu viel sowas wie der Besuch auf dem Abenteuerspielplatz.
- Du hast das Gefühl, nicht richtig tief durchzuatmen.
- Dein Herz schlägt schneller.
- Du bist schnell gereizt und/oder ziehst dich innerlich zurück.
Was in deinem Körper passiert, wenn du dauerhaft unter Strom stehst
Was du an dieser Stelle zuallererst verinnerlichen darfst, ist, dass diese Reaktionen kein Zeichen von Schwäche sind – vielmehr zeigen sie dir deutlich, dass dein Nervensystem seit zu langer Zeit im Alarmmodus läuft, oder dass es immer wieder schnell in diesen Zustand „schaltet“: eine chronische Sympathikus-Aktivierung.
Die Fähigkeit, zwischen Anspannung und Entspannung zu pendeln, so wie bei einem regulierten Nervensystem üblich, ist dann eingeschränkt; der Körper verharrt in einem Zustand chronischer Anspannung. Besonders feinfühlige Menschen erleben ihre Umgebung intensiver, wodurch ihr Körper schneller an die Grenze der Belastbarkeit kommt. Das ist kein „Fehler im System“, sondern eine Schutzreaktion.
Ein gesundes oder reguliertes Nervensystem pendelt zwischen An- und Entspannung hin und her. Es ist flexibel und funktioniert wie ein innerer Schutzmechanismus – unbewusst und stets „entscheidend“, ob eine Gefahr besteht. Diese Bewertung geschieht über einen Prozess namens Neurozeption: Dabei verarbeitet das autonome Nervensystem ständig die Informationen aus unserer Umgebung und aus unserem Inneren: Geräusche, Blicke, Körperempfindungen, Herzschlag, Atmung und so weiter. Je nachdem, wie die Lage ausschaut, reagiert es (grob gesagt):
- bei Sicherheit mit Regulation und Verbundenheit
- bei potenzieller Gefahr mit Aktivierung und Alarm
- bei Überforderung, Ohnmacht mit Abschalten, Rückzug
Diese Einschätzungen verlaufen, wie bereits erwähnt, unbewusst, so dass wir in manchen Situationen mit Stress reagieren, obwohl keine reale Gefahr existiert.
Übrigens: Eine Aktivierung des Sympathikus ist an sich nichts Negatives. Im Gegenteil: Sie kann uns kurzzeitig auch positiv dabei unterstützen, in die Gänge zu kommen oder wichtige Projekte abzuschließen. Anstrengend wird es bei einer ständigen oder dauerhaften Aktivierung.
Warum du als feinfühlige Frau dein Nervensystem besser verstehen darfst
Feinfühlige oder hochsensible Mamas nehmen viel intensiver wahr, was um sie herum (und in ihnen) los ist. Geräusche, Emotionen, Blicke, Stimmungen – all das erreicht sie ungefiltert. Sie bemerken die Bedürfnisse ihrer Kinder oft noch, bevor sie sie äußern. Sie spüren unausgesprochene Erwartungen anderer, zum Beispiel der Familie, auch wenn niemand konkret etwas sagt. Außerdem haben sie feine Antennen, was sie selbst und ihr inneres Erleben angeht.
Bevor ich erkannt habe, dass ich hochsensibel bin, habe ich mich gefragt, was mit mir nicht stimmt. Denn im Außen habe ich mitbekommen, dass andere Mamas auch viel zu tun hatten und müde waren. Ich hatte aber das Gefühl, dass es bei mir irgendwie „hartnäckiger“ war. Dass ich länger brauchte, um mich zu erholen, oder eben zeitweise gar nicht in meine gewünschte Ruhe und Entspannung fand. Durch eine Yogastunde wurde ich etwas ruhiger, fühlte mich jedoch nach kurzem wieder angespannt.
Kennst du das auch? Du kannst dir bestimmt vorstellen, dein feines Nervensystem ist besonders gefordert – nicht nur „ab und zu“, sondern immer wieder. Um nicht zu sagen: dauerhaft!
Das ist ja noch nicht alles: Hinzu kommt der ständige „mental and emotional Load“, den die meisten Mütter tragen: Du organisierst, sorgst und versorgst, fühlst mit, hältst Raum für starke Gefühle der Kinder – und oft auch alles zusammen. Und parallel hältst du dich selbst!
Okay, bevor wir in „miepmiep, ich armes Sensibelchen“ verfallen, nicht dass ich dir das unterstelle, mir ging es aber manchmal so und ganz ehrlich, es ist auch völlig in Ordnung, denn Mitgefühl für sich selbst zu entwickeln, ist ein Schritt zur nachhaltigen Balance. Lediglich dauerhaftes Selbstmitleid bringt uns kein Stück weiter. Und so kommen wir mal zum Punkt:
Was uns oft fehlt sind echte Pausen! Momente, in denen dein ganzes System sich wirklich entladen, regulieren, nähren, auftanken darf. Eben genau deshalb, damit dein Körper nicht immer wieder im Alarmzustand hängenbleibt.
Ein kleiner Anker für dein Nervensystem
Hier kommt die gute Nachricht: Du musst nicht sofort alles ändern. Du musst dich nicht „zusammenreißen“, um zur Ruhe zu kommen. Du brauchst dir nicht noch mehr Druck zu machen. Was dir stattdessen helfen kann, sind kleine Zeichen von Sicherheit. Immer wieder. Ganz sanft. Ein kleiner Schritt dorthin kann dein Atem sein. Probiere es gern jetzt gleich aus, um dir und deinem Körper einen Moment zu schenken.
Sanfte Atemübung:
- Setz dich bequem hin, zum Beispiel in den Yogasitz (Schneidersitz) auf ein Kissen, auf das Sofa oder auf einen Stuhl. Wenn es dir angenehm ist, dann schließ deine Augen. Lass die Schultern sinken, die Gesichtszüge entspannen. Spür auch gern mal, wo dein Körper die Sitzunterlage berührt. Geh dann mit deiner Aufmerksamkeit zu deinem Atem. Beobachte, wie dein Atem fließt. Ein und aus.
- Sprich dir dann innerlich zu – einatmend: „Ich bin sicher.“, ausatmend: „Ich darf loslassen.“
- Wiederhole das gern so lange, wie es dir guttut. Ganz sanft, unaufgeregt und neugierig.
Vielleicht spürst du, wie du ruhiger wirst? Vielleicht auch nicht. Nimm das einfach mal wahr.
Beides ist okay. Es geht nicht ums Funktionieren, sondern um die schrittweise Annäherung.
Alternative 1: Falls du merkst, dass es dir schwerfällt, ruhig zu sitzen, probiere diese Übung im Gehen aus. Zum Beispiel im Wald, im Park oder es geht auch in der Wohnung oder im Garten.
Alternative 2: Wenn du innerlich zu unruhig bist, dann versuche doch vorab diese Übung hier:
https://storyandsoul.de/schuettelmeditation/
Denk gerne immer daran: Du bist nicht „zu sensibel“ oder „zu irgendwas“. Dein Körper ist aufmerksam und möchte dich schützen. Und du darfst lernen, wieder mehr auf die Signale zu hören. Deinem Körper zu vertrauen.
Wenn du Lust auf mehr solcher alltagstauglichen Impulse hast, dann habe ich etwas für dich: meinen SoulfulYou-Letter, für den du dich registrieren kannst – kostenfrei und unverbindlich:
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Listen to your soul,
deine Melanie
*Das autonome oder vegetative Nervensystem ist im nachfolgenden Text als „Nervensystem“ bezeichnet.
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